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Deklinismus – der Glaube an das Ende der Welt

Früher war alles besser!

„Stimmt!“, höre ich jetzt viele sagen („Bullshit“ sagen die anderen). Denn der Glaube, dass eine Gesellschaft oder eine Organisation dem Niedergang geweiht ist, ist weiter verbreitet als man glauben mag und aktuell scheint dieser Trend mit der Zahl zunehmender Verschwörungstheoretiker und Apokalyptiker eine Hochphase zu erleben.

Der Glaube an das Ende der Welt und die damit verbundene Tendenz, die Gegenwart als negativ und die Vergangenheit deutlich positiver zu betrachten, wird als Deklinismus (frz. déclin, engl. decline, Untergang) bezeichnet. Begründet wurde der Begriff mit 1918 erschienenen Buch „The Decline of the Westen“ des deutschen Historikers Oswald Spengler.

Wie kommt es zu dieser negativen Sichtweise?

❗️Im Journalismus dominieren nach wie vor die Slogans »Only bad news are good news« und »What bleeds, that leads« und damit verbunden auch der Fokus auf Negativ- und Skandalnachrichten.

❗️Daher werden wir täglich mit negativen Nachrichten überschüttet. Leider verarbeitet unser Gehirn evolutionär und kulturbedingt negative Informationen bevorzugt und memoriert diese auch noch besser als positive Informationen (Negativitätseffekt).

❗️Der Confirmation Bias (siehe mein Post letzte Woche) führt dazu, dass wir unbewusst diejenigen Informationen wahrnehmen, die eine mögliche negative Voreingenommenheit bestätigen.

❗️Unsere eigene Informationsblase, unterstützt von digitalen Algorithmen, trägt rein technisch dazu bei, dass uns nur die Informationen erreichen, für die wir uns ohnehin schon interessieren.

❗️Eine konstante Versorgung mit neuen Nachrichten, getriggert durch die eigene Neugierde und dem sog. Infinity Scroll (automatisches Erscheinen immer neuer Posts/Nachrichten beim Scrollen).

❗️Der Mere-Exposure-Effect und das Validity-Effect sorgen dafür, dass uns Nachrichten, die wir häufig hören, wahr vorkommen und diesen mehr Vertrauen schenken.

❗️Doomscrolling – manche Menschen neigen dazu, sich zwanghaft durch immer neue (negative) News zu scrollen. Beim News-Refresh wird im Gehirn der Botenstoff Dopamin ausgeschüttet. Dieser Botenstoff führt zu einem Glücksgefühl, welches, abhängig der genetischen Disposition, süchtig machen kann. Ein Nebeneffekt des mit der Dopamin-Ausschüttung empfundenen Glücksgefühls: Es können Dinge bedeutsam werden, die sonst bedeutungslos sind.

Definition
Deklinismus (von frz. déclin, engl. decline = Untergang) bezeichnet den Glauben an das Ende der Welt und die damit verbundene Tendenz, die Gegenwart als negativ und die Vergangenheit deutlich positiver zu betrachten.

Deklinismus kann auch als Strategie genutzt werden, um politische Ziele zu erreichen. So impliziert Donald Trumps Claim „Make American Great Again.“, dass Amerika früher besser bestellt war, als heute (Elchardus, 2017). Besonders Parteien aus dem rechten Spektrum nutzen die populistische Idee vom Niedergang der Kultur, um sich selbst als diejenigen zu positionieren, die die Gegenwart verändern, um die „guten alten Zeiten“ zurückzubringen.

Interessanterweise führt ein negatives Weltbild nicht dazu, dass wir aktiv werden und beherzt mit innovativen Ideen auf Probleme und Herausforderungen reagieren. Ganz im Gegenteil. Die Förderung eines Krisenmodus führt zu Stress und geht oft einher mit Gefühlen von Hilf- und Hoffnungslosigkeit (erlernte Hilflosigkeit). Als Folge daraus entwickeln wir Ignoranz und Gleichgültigkeit und wenden uns aktiv ab vom Weltgeschehen (News-Avoidance).

So haben Forscher (Neimanis et al., 2015) festgestellt, dass sich bei Menschen Aktivismus und Problemlösewillen durch ein negatives Framing in Bezug auf Umwelt- und Klimaschutzthemen auflösen. Die Forscher weisen darauf hin, dass es zwar wichtig ist, aufzuklären, aber extreme Formulierungen dazu führen können, dass Menschen eine „No-Future“-Haltung entwickeln und damit die Motivation verlieren, die Bedingungen aktiv zu verbessern.

Wer immer noch glaubt, dass die Welt (objektiv betrachtet) früher besser war, als sie es heute ist, dem lege ich die Lektüre folgender Bücher nahe:
  • „Gewalt“ (engl. »The Better Angels of our Future«) von Stephen Pinker
  • „Factfulness“ von Ola und Anna Rosling
  • „Aufklärung jetzt – für Vernunft, Wissenschaft, Humanismus und Fortschritt“ von Stephen Pinker
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