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Der Primacy- und Recency-Effect im Alltag und in der Werbung

Die Art und Weise, wie unser Gedächtnis Informationen speichert, hat großen Einfluss auf die interindividuelle Beurteilung unseres Erlebens und auf die Wirksamkeit von Werbung.

Der serielle Positionseffekt (Primary-Recency-Effect) liefert eine bedeutsame empirische Erkenntnis zur Positionierung von Werbung innerhalb eines Werbeblocks und zur inhaltlichen Konzeption eines Werbespots.

Der Effekt besagt, dass wir uns an zuerst dargebotene und an die zuletzt dargebotene Information innerhalb einer (zeitlich und inhaltlich eingefassten) Reihe von Informationen am besten erinnern. An Informationen aus der Mitte dieser Reihe können wir uns deutlich schlechter erinnern. Primacy- und Recency-Effekte, können auch unabhängig voneinander auftreten.

Dass wir uns an zuletzt genannten Informationen gut erinnern können, liegt daran, dass diese noch im Arbeitsgedächtnis präsent sind. Der Recency-Effect wirkt jedoch nur solange, wie keine neuen, ähnlichen Informationen mit den bestehenden im Arbeitsgedächtnis interferieren.

Zuerst dargebotene Informationen sind aufgrund der Kapazitätsbegrenzung des Arbeitsgedächtnisses nicht mehr im Arbeitsspeicher vorhanden. Allerdings hatten diese Informationen mehr Zeit für eine Wiederholung (Rehearsal) und Verarbeitung, um ins Langzeitgedächtnis überführt zu werden.

Auf Grundlage dieses Phänomens ergeben sich einige interessante Erkenntnisse zu unserem Erleben in verschiedenen Situationen, z. B.:
  • Der letzte Schlag eines Boxers in der Runde oder sogar am Ende des Kampfes hat eine besondere Bedeutung für die Kampfrichterbewertung.
  • Bei unseren Urlaubsreisen kann eine sehr unangenehme und anstrengende Rückreise die Gesamterinnerung schmälern.
  • Nach dem Genuss eines eigentlich guten Films kann uns ein schlechtes Ende das gesamte Filmerlebnis madig machen.
  • Eventuell werten wir einen  Restaurantbesuch und die dabei genossenen Speisen ab, weil wir der Meinung sind, dass der gesamte Restaurantbesuch zu teuer war (und wir uns leider am meisten an den Schmerz beim Bezahlen der Rechnung erinnern)
  • Bei einer Argumentation sollten die wichtigsten Botschaften konsequent am Anfang und am Ende stehen. Untersuchungen zeigen, dass Argumente, die am Anfang und am Ende genannt werden, den größten Einfluss auf Entscheidungen besitzen.
  • Wenn wir am Flughafen zu lange auf unser Gepäck warten müssen, schlägt sich das auf die Bewertung der Leistung der Fluglinie und des Flughafens nieder. Daher verlängern einige Flughäfen (z. B. Houston, George W. Bush Airport) ganz bewusst die Wegführung vom Flugzeug zum Gepäckband, damit sich die Wartezeiten für den Reisenden am Gepäckband subjektiv verringern.
  • In einem Werbeblock ist die beste Position die erste. Dort ist die Erinnerungsleistung am größten.
  • Werbetreibende sollten den Markennamen und/oder das Produkt unbedingt am Anfang nennen. Das ist mitunter ein essenzieller Faktor für die Memorierung des Produktes bzw. Markennamens.

Der Recency-Effect funktioniert nicht für Marken- oder Produktnamen! Ganz im Gegenteil: Je später der Name genannt wird, desto weniger wird die gesamte Werbung memoriert und die Werbeaussage nicht mehr mit dem Produkt bzw. Markennamen in Verbindung gebracht. Studien zeigen, dass die Aufmerksamkeit der Zuschauer mit der Dauer eines Werbespots abnimmt und dieser dann kaum noch in der Lage ist, die am Ende gezeigten Informationen ins Langzeitgedächtnis zu überführen.

Nutze den Primacy-Effect. Zeige und nenne die Marke zu Beginn und damit vor der Botschaft.

Ich glaube, dass viele Werber von dieser validen Information keine Kenntnis haben. Nach einer Studie von Baker et al. (2004), zeigen nur 6 % aller US-amerikanischen Werbespots eine effektive  gedächtnis- und lernpsychologisch optimale Reihenfolge von Informationen, die mit der Nennung des Absenders beginnt.

Im Allgemeinen begründen Werber ihren Ansatz damit, dass sie durch eine späte Markennennung Neugierde und damit Aufmerksamkeit erzeugen wollen. Diese sog. Mystery Ads erzeugen die gewünschten Assoziationen von Botschaft zum Produkt lediglich bei unbekannten Marken (Fazio et a., 1992) und dies auch nur eingeschränkt und unter sehr spezifischen Bedingungen.

Man kann es nicht oft genug sagen: Markennennung vor Botschaft!

Es ist für Werbetreibende fahrlässig und unter Umständen kostspielig, diese Erkenntnisse der Konsum- und Werbepsychologie zu ignorieren.

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