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Alles beginnt im Kopf, auch unser Bauchgefühl

„Ich habe mit dem Bauch/Herzen entschieden“ – heißt es oft im Volksmund. Der Mensch unterscheidet gerne zwischen Bauch(entscheidung) und Kopf(entscheidung), manchmal sogar pauschal zwischen Kopf- und Herzmenschen. Das ist aus neurologischer Sicht aber Humbug.*

Auch unsere Gefühle und Emotionen basieren auf Prozessen im Gehirn. Wenn wir „auf unser Bauchgefühl hören“, verlassen wir uns auf unsere „Intuition“. Diese äußert sich oft in einem anziehenden oder abstoßenden Gefühl hinsichtlich einer Entscheidung.

Dass wir bei einer Bauchentscheidung nicht an das Denken denken, ist kein Wunder. Wir haben uns schließlich nicht explizit die Mühe gemacht, eine Situation oder Entscheidung analytisch zu hinterfragen, nach Pro- und Contra -Argumenten zu suchen und Fakten zu überprüfen.

Was ist Intuition ?

Psychologen, wie Gerd Gigerenzer, haben sich ausführlich mit den positiven Eigenschaften der Intuition und den „Faustregeln“, die ihr zugrunde liegen (Fast and Frugal Heuristics) beschäftigt. Gigerenzer bezeichnet Intuition als „gefühltes Wissen“. Er beschreibt das Bauchgefühl, als ein Urteil, das „rasch im Bewusstsein auftaucht, dessen tiefere Gründe uns nicht ganz bewusst sind und das stark genug ist, um danach zu handeln.“ (Gigerenzer, 2021, Kap. 1).

Daniel Kahneman und Anton Tversky konzentrierten sich mit dem Heuristics and Biases Ansatz auf die Nachteile von Denkabkürzungen. Sie betrachten Intuitionen tendenziell als eine Quelle von Verzerrungen und Fehlern.

Beispiel: Affektheuristik
Menschen fällen bei mangelnden kognitiven Ressourcen (Zeit, Energie), kognitiver Überforderung bei zu vieler Optionen oder im Zustand kognitiver Leichtigkeit häufig Entscheidungen auf der Grundlage affektiver Empfindungen und Gefühle. Situative Gefühle wie Ärger, Wut, Freude und Enttäuschung können Einfluss auf unsere Entscheidungen nehmen, auch wenn sie ganz andere Ursachen und nichts mit dem Entscheidungsgegenstand zu tun haben.

Die Naturalistic Decision Making (NDM)-Gemeinschaft definiert „Intuition als basierend auf einer großen Anzahl von Mustern, die durch Erfahrung gewonnen wurden und zu verschiedenen Formen von stillschweigendem Wissen führen“ (Klein, 2015). Diese Sichtweise unterscheidet sich von den beiden Ansätzen der Fast and Frugal Heuristics und Heuristics and Biases.

Unser Bauchgefühl ist ein zweischneidiges Schwert. Intuition kann hilfreich sein, aber unter bestimmten Bedingungen auch zu fatalen Fehlentscheidungen führen. Die verschiedenen Ansätze haben in der Forschung alle ihren Platz und wie so oft in der Psychologie, gilt auch hier das Sprichwort: „Es kommt darauf an!“

Wer sich für die verschiedenen Positionen zur Intuition interessiert, dem empfehle ich die Forschungsarbeiten und Bücher der Psychologen Gerd Gigerenzer, Daniel Kahneman und Gary Klein.

Anmerkung: Die junge Forschung um somatische Marker (Damásio, 1994) und der Forschungsbereich des Embodiment liefern Indizien dafür, dass auch unser Körper Informationen speichern und Einfluss auf kognitive Prozesse und Entscheidungen haben kann. In welchem Ausmaß und wie zuverlässig, ist jedoch noch weitestgehend unerforscht.
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